Raul Krauthausen im Lunch Talk mit voiio: Ein Gespräch über Inklusion und Begegnungen

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Warum Begegnungen so wichtig sind, erklärte Raul Krauthausen im voiio Lunch Talk am 05. Juli 2022. Er ist Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit und engagiert sich seit über 20 Jahren für die Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderung.

Das Besondere an diesem Format: Zuhörer:innen konnten ihre Fragen im Voraus oder live stellen. Daraus ergab sich ein bunter Mix an Themen. Raul Krauthausen teilte während des Talks alltagsnahe Tipps für den Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Außerdem lieferte er wertvolle Anregungen für Unternehmen. Und erklärte, warum eine Behinderung wie eine Haarfarbe gesehen werden sollte.

Denn der Aktivist verdeutlicht, dass eine Behinderung ein Teil einer Person, eine Eigenschaft ist. Und deshalb vergleichbar mit der Haarfarbe ist. So betont Raul, dass Menschen mit Behinderungen viel mehr als ihre Behinderung sind. Denn eine Eigenschaft von Menschen ist nicht alles entscheidend.

Menschen mit Behinderungen sind kaum sichtbar

Raul Krauthausen spricht von Menschen mit Behinderungen oder behinderten MenschenHandicap lehnt er ab, denn damit wird eine defizitorientierte Sicht auf die Person beschrieben. Auch der Begriff Behinderte:r sollte deshalb vermieden werden.

Knapp 13% der deutschen Bevölkerung sind Menschen mit Behinderungen (vgl. Statistisches Bundesamt, 2019). Trotzdem ist diese Gruppe in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland unterrepräsentiert. Im Alltag fehlt es an Begegnungen. Und viele haben Berührungsängste.

Drei Menschen stoßen gemeinsam mit ihren Getränk an, unabhängig von Behinderungen.

Begegnungen sind der Schlüssel für ein gutes Miteinander. (Quelle: ELEVATE / pexels)

Eine Zuschauerin stellt fest: “Vermutlich kennen viele ein unangenehmes, leicht beklemmendes Gefühl in der Begegnung mit behinderten Menschen.” Denn aufgrund der geringen öffentlichen Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen entstehen bei vielen Unsicherheiten. Man weiß nicht so recht, wie man sich verhalten soll. Das ist zwar menschlich. Doch gesellschaftliche Grundsätze gelten auch hier, wie Raul betont:

“Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu”.

Nun meldet sich eine weitere Zuschauerin zu Wort und fragt, inwiefern Menschen mit Behinderungen in den Medien sichtbar seien. Raul erläutert:

“Im englisch-sprachigen Raum ist der Prozess der Sichtbarkeit fortgeschrittener. Peter Dinklage alias Tyrion Lannister, zum Beispiel, ist in Game of Thrones ein wichtiger Charakter. Das Entscheidende: Seine Behinderung ist ein Teil von ihm, steht im Rahmen seiner Rolle allerdings nicht im Vordergrund. Anders ist es in Deutschland. Es gibt deutlich weniger Rollen mit Behinderungen. Und diese werden häufig von nicht-behinderten Menschen gespielt. Dazu werden Charaktere mit Behinderungen in den Medien oft einzig auf diese Eigenschaft reduziert.”

Wie können Sie die mediale Beschäftigung mit Menschen mit Behinderungen selbst beurteilen? Raul Krauthausen empfiehlt ein gutes Werkzeug, um die realistische Darstellung zu hinterfragen: den Tyrion-Lannister-Test. Mit diesen Leitfragen können Sie beginnen:

  • Ist die Behinderung permanent Thema oder wird sie ignoriert?
  • Ist die Heldenfigur mehr als die Behinderung?
  • Wie wird die Behinderung im Vergleich zur Realität dargestellt?

Begegnungen bauen Unsicherheiten ab

Gemeinsam mit den Zuschauer:innen stellt der Experte klar: Verhalten Sie sich so, wie Sie jedem anderen Menschen auch begegnen würden. Aus Unsicherheit weichen viele Menschen aus. Ihre Argumente lauten “Ich habe den Umgang mit behinderten Menschen nie gelernt” oder “Ich bin für die Begegnung mit Menschen mit Behinderung nicht ausgebildet”. Doch das ist ein fataler Ansatz. Immerhin macht jede:r etwas irgendwann zum ersten Mal.

Raul Krauthausen erklärt, dass unsere Gesellschaft strikt in “behindert” und “nicht-behindert” unterscheidet. Das ist grundsätzlich falsch, denn es handelt sich um ein Spektrum. Niemand kann alles. Jede:r von uns wird durch etwas in der Gesellschaft oder im eigenen Umfeld behindert. Viele von uns hatten in ihrer Kindheit Einschränkungen, bei denen die Eltern helfen mussten. Viele werden im Alter eine Behinderung haben. Behinderungen sind nicht binär, es gibt mehr als eins und null, betont Raul Krauthausen.

Seien Sie deshalb offen in der Begegnung. Machen Sie sich bewusst, dass die Behinderung ein Teil der Person ist, aber nicht das Wesentliche. In diesem Zusammenhang erläutert der Aktivist:

“Fragen nach der Behinderung sind grundsätzlich erlaubt, aber nicht als Kennenlernfrage. Und nicht jede:r möchte darauf antworten. Sie wollen schließlich auch nicht direkt nach ihrer Sexualität gefragt werden, sondern als Mensch wahrgenommen werden.”

Bleiben Sie offen

Inklusion ist ein Menschenrecht, siehe nicht zuletzt die UN-Behindertenrechtskonvention. Doch wie viel hat sich in unserer Gesellschaft bereits in Hinblick auf Inklusion getan? Nun ja, Busse in Berlin beispielsweise sind barrierefrei, einige andere öffentliche Verkehrsmittel wiederum nicht. Vieles passiert schleppend, auf Basis von Gesetzen und nicht freiwillig. Gerade die Privatwirtschaft ist meist komplett ausgenommen. Barrierefreiheit auf Websites wird vermutlich erst ab 2025 für viele zur Pflicht.

So sind sich Raul Krauthausen und die Teilnehmer:innen einig: Seien Sie mutig. Seien Sie aufmerksam. Zusammengefasst: Nehmen Sie Menschen mit Behinderung einfach wahr, ohne sich unangenehm zu verstellen.

Praktische Tipps für Begegnungen von Raul Krauthausen:

  • Überlegen Sie zu jeder Zeit: Wie möchten Sie selbst behandelt werden?
  • Anschauen und wahrnehmen ist okay. Vermeiden Sie es, zu starren.
  • Unterstützen Sie behinderte Menschen: Sensibilisieren Sie andere in der Begegnung.
  • Seien und bleiben Sie offen.
  • Hinterfragen Sie sich selbst: Ist die Frage nach der Behinderung zwingend notwendig, um die Person kennenzulernen? Bringt sie mich wirklich näher zur Person?
Behinderte und nicht-behinderte Menschen machen gemeinsam Yoga.

Auf die Begegnung kommt es an. (Quelle: Cliff Booth / pexels)

Wie ist dagegen die Sicht eines Betroffenen? Wie sensibilisiere ich andere, damit sie für mich mitdenken? Raul empfiehlt, die Mitmenschen konsequent daran zu erinnern. Beispielsweise auf welchem Ohr man besser hört oder dass man zum Lesen länger braucht. Außerdem können auch Kolleg:innen darauf hinweisen, um die Person mit Behinderung zu entlasten.

Eine Frage-Pause nutzte Raul für einen Lesetipp: Tupoka Ogette – Und jetzt du. Er sieht es als eine Art Anleitung für weiße Menschen, nicht immer dieselben Narrative zu bedienen. Und als Anstoß für Menschen mit Behinderung, nicht immer über die eigene Betroffenheit zu sprechen, sondern selbst Themen zu setzen.

So fördern Sie Inklusion in Ihrem Unternehmen – Tipps von unserem Experten

Im Laufe des Lunch Talk mit voiio lieferte Raul Krauthausen weitere wertvolle Tipps zur direkten Umsetzung von Inklusion in Unternehmen. Und gibt den Teilnehmer:innen informative Links an die Hand. Die sowohl in Bezug auf Recruiting als auch in Hinblick auf die Mitarbeiter:innen-Bindung beim Thema Inklusion hilfreich sind.

Ein Team aus behinderten und nicht-behinderten arbeitet gemeinsam am Laptop.

Sehen Sie Potenziale, keine Schwächen. (Quelle: Ivan Samkov / pexels)

Praktische Tipps und weiterführende Links, bereitgestellt von unserem Experten:

  • Authentische Formulierungen: Vergessen Sie die Floskel: “Bei gleicher Eignung werden Menschen mit Schwerbehinderung bevorzugt berücksichtigt”. Nutzen Sie stattdessen authentische Formulierungen und verdeutlichen Sie damit, wie Sie Barrieren in Ihrem Unternehmen abbauen. Weitere Tipps zur inklusiven Formulierung von Stellenanzeigen finden Sie in diesem Artikel.
  • Barrierefreie Bewerbungsmöglichkeiten: Schaffen Sie barrierefreie Bewerbungsmöglichkeiten nach dem Zwei-Sinne-Prinzip, z. B. telefonisch neben der Online-Bewerbung. Wie Sie Bewerber:innen mit Behinderung finden, können Sie in diesem Beitrag nachlesen.
  • Tätig werden: Suchen Sie aktiv nach Bewerber:innen mit Behinderungen. Nutzen Sie beispielsweise zusätzlich Anzeigenportale wie Myability.jobs und bieten Sie Ihre (Ausbildungs-)Stellen gezielt bei Berufsbildungswerken an.
  • Barrieren auflösen: Hinterfragen Sie Ihren Auswahl- und Interviewprozess. Gibt es Kriterien, die Menschen mit Behinderung ausschließen?
  • Anforderungen überdenken: Nutzen Sie Jobcarving und denken Sie Stellenprofile neu. Sind wirklich alle beschriebenen Kompetenzen zwingend notwendig? Oder lässt sich die offene Arbeitsstelle an die individuellen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen des Menschen doch anpassen?

"Passen Sie den Job auf die Person an, anstatt die perfekte Person zu finden."

  • Berührungsängste abbauen: Nehmen Sie eigene Ängste und unbewusste Vorurteile wahr. Menschen mit Behinderungen bereichern Ihr Unternehmen. Ihre Kompetenzen sind so vielfältig wie sie selbst. Zudem gibt es staatliche Unterstützung in Form von Arbeitsassistenzen und Jobcoaches, über Probebeschäftigung bis hin zu Lohnkostenzuschüssen.
  • Diskriminierungen erkennen: Ermöglichen Sie es, Diskriminierungen zu melden. Und das ohne Angst vor Konsequenzen. Unternehmen, in denen Menschen mit Behinderungen arbeiten, sind beispielsweise verpflichtet, eine Inklusionsbeauftragte Person zu stellen. Stellen Sie diese prominent intern dar. Beispielsweise indem Sie Ihre:n Inklusionsbeauftragte:n gut sichtbar in Ihrem Intranet verlinken.
  • Gemeinsamer Austausch: Reden Sie mit Menschen mit Behinderung, wie Sie diese unterstützen können und nicht über diese.

Bedenken Sie grundsätzlich: Menschen mit Behinderungen sind beruflich oft nicht da, wo sie gerne wären. Im voiio Lunch Talk hat Raul Krauthausen wertvolle Tipps geliefert, wie Unternehmen einen weiteren Schritt in Richtung Inklusion gehen.

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Ihre Lisa von voiio

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