Einen Blick über den Tellerrand der klassischen Krankschreibung: Warum Mitarbeitende ausfallen und Kosten bei mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Familie entstehen

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Fehlzeiten können bei Häufung zu kostspieligen Problemen werden: Denn häufige Abwesenheiten am Arbeitsplatz bedrohen die Produktivität des Unternehmens und gehen oftmals mit Mehrkosten einher.

Unter Fehlzeiten versteht man die Abwesenheit einer beschäftigten Person am Arbeitsplatz. Man unterscheidet zwischen verschiedenen Arten der Fehlzeit. Am geläufigsten ist die krankheitsbedingte Fehlzeit. Aber auch sonstige Abwesenheiten, z. B. angesichts mangelnder Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sind in der Definition mit eingeschlossen. 

Krankheitsbedingte Fehlzeiten: Ursachen der meisten Krankheitsfälle und -tage

Laut des Gesundheitsreports (2019) der BKK sind Atemwegsbeschwerden (28,5 %) gefolgt von Muskel-Skelett-Erkrankungen (16,2 %) und Infektionen (10,12 %) jährlich die häufigsten Diagnosen der gemeldeten Krankeitheitsfälle1.

Während psychische Erkrankungen einen vergleichsweise geringen Anteil aller Krankheitsfälle ausmacht (5,8 %), werden psychologische Störungen aber durch ihre lange Krankheitsdauer2 bedeutsam. Im Durchschnitt bleiben psychisch Erkrankte fünf Wochen im Jahr arbeitsunfähig, eine Krankheitsdauer, die seit 2009 kontinuierlich steigt. Ferner waren 2019 16,8 % aller Arbeitsfähigen-Tage im Jahr auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen. Somit lösen psychische Erkrankungen nach Muskel-Skelett-Erkrankungen die meisten Arbeitsunfähigkeitstage im Jahr aus. 

Probleme in der Familie: einer der Hauptursache für psychische Erkrankungen 

In ihrem Fehlzeiten-Report untersuchte die AOK 2017 die Ursache für psychologische Erkrankungen von Arbeitskräften. Unter anderem stellte sich heraus, dass die vier häufigsten Gründe für eine psychische Störung im privaten Umfeld liegen. Circa die Hälfte der Fälle gehen auf belastende Konflikte im Privatleben und die Trennung oder Ehescheidung zurück, der andere Teil auf schwere Erkrankungen in der Familie oder den Tod eines Familienangehörigen.

Die meisten Berufstätigen fallen wegen eigener schwerer psychischer Erkrankung aus.
Quelle: Fehlzeiten Report 2017 der AOK

Erhöhte Fehlzeiten auch bei mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Familie 

Laut des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (bmfsfj) kann mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei der betroffenen Person zu häufigeren Fehlzeiten und einem erhöhten Krankheitsrisiko führen. Der Versuch, Familie und Arbeit gleichermaßen zu erfüllen, kann für Berufstätige zu einer Doppelbelastung werden. Unternehmen wird somit geraten, ihren Angestellten durch familienfreundliche Personalpolitik zu unterstützen. 

Deutschland benötigt mehr Kinderbetreuungsplätze 

Das deutsche Institut für Wirtschaft führte 2019 eine Umfrage zum Betreuungsbedarf von Eltern durch. Die Ergebnisse der Umfrage in Deutschland zeigten, dass „81,2 Prozent der Eltern für ihre Zweijährigen und 64,1 Prozent für ihre Einjährigen einen Betreuungsbedarf haben”.

Unter anderem wird die These von einer Firmenumfrage der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) in 2019 unterstützt. In der Umfrage gaben rund die Hälfte der Firmen an, dass ihre Angestellten die Elternzeit über den ursprünglichen Zeitraum hinaus verlängert hatten. Von dieser Gruppe war bei 73 % die Ursache für die verlängerte Babypause ein Mangel an verfügbaren Kitaplätzen. Zudem wurde deutlich, dass die regulären Betreuungszeiten für viele berufstätige Eltern nicht ausreichend sind.  

Am häufigsten verlängern Eltern die Elternzeit, weil der Kitaplatz nicht zum gewünschten Termin verfügbar ist.
Quelle: Unternehmensumfrage 2019 der IHK Berlin

Großes Einsparpotenzial bei familienfreundlicher Personalpolitik 

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (bmfsfj) veröffentlichten 2005 eine Schätzung der wirtschaftlichen Kosten bei unzureichender Kinderbetreuung. Demnach erhöhen sich für Unternehmen bei verlängerter Elternzeit die Überbrückungskosten, Wiedereingliederungskosten und Kosten durch Fehlzeiten. 

Die Überbrückungskosten befassen sich mit den Ausgaben, die durch Vertretungseinsätze entstehen. Diese steigen mit der Dauer der Elternzeit. Ähnlich ist es auch bei Wiedereingliederungskosten, denn eine Abwesenheit vom Arbeitsplatz führt gewöhnlich zu einer Dequalifikation der Angestellten. Dies ist zum einen durch das Abgewöhnen des Berufslebens und zum anderen durch die Weiterentwicklung der Firmenprozesse zu begründen.

Je länger die Elternzeit dauert, desto höher sind die Kosten für Wiedereingliederung.
Quelle: familienfreundliche Maßnahmen Report des bmfsfj 2005

Das Zentrum für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg führte eine Studie zu den Effekten betrieblicher Kinderbetreuung durch. In der Studie wurde die Länge der Elternzeit von einem Unternehmen mit und ohne einer Betriebskita verglichen. So wurde festgestellt, dass bei der Firma mit einer Betriebskita Eltern im Durchschnitt fast fünf Monate früher wieder zu ¾ ihres ursprünglichen Arbeitsniveau zurückkehren, als Eltern in Unternehmen ohne Kinderbetreuung. Durch diese zusätzliche Arbeitsleistung der Eltern konnte ein positiver finanziellen Effekt von 3.800€ pro Elternteil berechnet werden.

Mehrkosten bei überbelastetem Personal mit Pflegeverantwortungen 

Mit einer wachsenden Zahl an Pflegebedürftigen in Deutschland rückt auch die Problematik der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege in den Vordergrund. Laut einer IGA Umfrage von Berufstätigen, die privat ein Familienmitglied pflegen, finden 68 % es schwierig, ihre Pflegeaufgaben mit der Arbeit zu vereinbaren. Nach einer Expertenbefragung führen mangelnde Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bei den Betroffenen in der Regel zu Präsentismus, Absentismus, Krankheit, reduzierte Stundenzahl und einem erhöhten Supervisionsaufwand. Diese Folgekosten wurden laut der Befragung auf rund 14,000€ jährlich pro Mitarbeiter berechnet. 

Ein alter Mann mit Pflegerin.
Mit einer steigenden Zahl an Pflegebedürftigen wächst auch die Menge an Mitarbeitenden mit Pflegeverantwortungen

Wirkungsvolle Personalpolitik bietet Unterstützung im beruflichen und privaten Umfeld 

Fehlzeiten können viele verschiedene Gründe haben. Somit ist Firmen dazu geraten, bei ihrer Fehlzeitenanalyse über das klassische Krankheitsbild hinauszuschauen. Denn Konflikte im Privatleben können genauso zu Fehlzeiten führen wie eine herkömmliche Erkältungsgrippe. Nur wenn Firmen die Ursachen für die Abwesenheit ihrer Mitarbeitenden erkennen, können sie diese auch wirkungsvoll beheben. Somit kann eine Personalpolitik, die Angestellte sowohl im beruflichen als auch privaten Umfeld unterstützt, zu Kostenersparnissen und gesteigerter Produktivität führen. 

Die einzelnen Studien und Artikel sind hier zu finden:

Wirtschaftslexikon: Fehlzeiten

Badura et al. (2017): Fehlzeitenreport 2017

BKK: Gesundheitsreport 2020

IW Koeln: Über 340.000 Plätze für unter Dreijährige fehlen

IHK Berlin: Umfrageergebnisse Vereinbarkeit

bmfsfj: Betriebswirtschaftliche Effekt familienfreundlicher Maßnamen

CSI Uni Heidelberg: Effekte Betrieblicher Kinderbetreuung

IGA: Beruf und Pflegeverantwortung

Familienpakt Bayern: Pflege und Beruf

ffp: Folgekosten Pflege

1. Ein Krankheitsfall ist eine krankgeschriebene Person.

2.  Die Krankheitsdauer ist der Behandlungszeitraum eines Krankheitsfalls.

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